Samstag, 24. Januar 2009
 
Guatemala: Faust gegen Taube PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Harald Neuber   
Mittwoch, 12. September 2007

Der erste Durchgang der Wahlen am 9. September brachte keine großen Überraschungen. In der Stichwahl am 4. November könnte allerdings der zweitplazierte rechte Hardliner Otto Pérez Molina den Sprung an die Staatsspitze schaffen.

Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Guatemala am Sonntag ist der Ausgang weiter offen. Am 4. November werden die beiden bestplazierten Bewerber in einer Stichwahl gegeneinander antreten müssen. Die Unterschiede zwischen Alvaro Colom Caballeros und Otto Pérez Molina wurden schon auf deren Wahlplakaten deutlich. Die politische Werbung des Sozialdemokraten Colom zeigte Personen, die mit ihren Händen das Symbol einer Friedenstaube formen. Sein Herausforderer Otto Pérez Molina wählte das Zeichen einer Faust. Sie steht für eine »Politik der harten Hand«, mit deren Hilfe der 56jährige General a.D. die ausufernde Kriminalität in den Griff zu bekommen verspricht.

Seit Jahresbeginn sind in dem mittelamerikanischen Staat 6.000 Menschen ermordet worden. Pérez Molina hat in einem populistischen und maßgeblich auf die kleine urbane Oberschicht ausgerichteten Wahlkampf den Einsatz der Armee gegen Kriminelle in Aussicht gestellt. Seine Patriotische Partei holte damit gegenüber der Nationalen Einheit der Hoffnung Coloms stark auf. Deren Kandidat setzt vor allem auf die Bekämpfung der Armut. Von den 13 Millionen Guatemalteken sind die Hälfte bedürftig.

Obwohl Colom nach den am Montag nachmittag (Ortszeit) von der Wahlbehörde bekannt gegebenen Ergebnissen mit rund 28 Prozent der abgegebenen Stimmen rund fünf Prozentpunkte vor seinem Herausforderer liegt, stehen seine Chancen nicht gut. Denn der Rechtspopulist Pérez Molina steht der bislang regierenden wirtschaftsliberalen Großen Nationalen Allianz (GANA) politisch weitaus näher als der gemäßigte Linke. Und weil der GANA-Kandidat Alejandro Giammattei mit 17 Prozent immerhin auf Platz drei kam, würde ein Bündnis zwischen ihm und dem Exgeneral Pérez Molina die Hoffnungen Coloms auf das höchste Staatsamt auf einen Schlag zunichte machen. Ihm bleiben bislang zwar Zusammenschlüsse mit den kleinen linken Parteien. Doch selbst deren bekannteste Anwärterin, die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, kam am Sonntag gerade einmal auf gut drei Prozent der abgegebenen Stimmen. Zu wenig für Colom.

Die positive Nachricht ist, dass die befürchtete Gewalteskalation ausblieb. In den Wochen vor der Abstimmung waren in einer von Übergriffen und politischen Morden geprägten Wahlkampagne 50 Politiker und Aktivisten ermordet worden. Am Wahltag dann kam es nur zu relativ kleinen Zwischenfällen: In einem Dorf im Norden Guatemalas verlor ein junger Mann bei Zusammenstößen zwischen Anhängern verschiedener Parteien das Leben, in zwei weiteren Orten kam es im Rahmen der parallel stattfindenden Abgeordneten- und Bürgermeisterwahlen zu Angriffen auf die Lokalverwaltung und ein Wahlbüro.

Unabhängig vom Ausgang der Stichwahl zwischen Colom und Pérez Molina wird ein Thema die guatemaltekische Innenpolitik weiter beschäftigen: die bislang ungesühnten Verbrechen während des Bürgerkrieges (1960-1996). Auch Exgeneral Pérez Molina wird eine Verstrickung in Massaker vorgeworfen, die in der westlichen Provinz Quiché Anfang der achtziger Jahre stattgefunden haben. Eine von den UN unterstützte Wahrheitskommission hat einen der schwersten Massenmorde an Maya-Einwohnern zwar dokumentiert. Die Rolle Pérez Molinas als verantwortlicher Kommandant in der Region war aber nie Gegenstand einer juristischen Untersuchung.

Und noch ein Politiker steht unter Verdacht, in Menschenrechtsverbrechen verstrickt zu sein. Exdiktator Efraín Ríos Montt (1982-1983) von der Republikanischen Guatemaltekischen Front (FRG) wurde am Sonntag als Vorsitzender einer zehnköpfigen Parlamentariergruppe in den Senat gewählt. Auf die FRG entfielen knapp acht Prozent der Stimmen. In Spanien läuft gegen Ríos Montt und sieben weitere Militärs auf Antrag Rigoberta Menchús ein Ermittlungsverfahren wegen Völkermords.


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